Edel-Schneidemaschine: So teuer wie ein Smartphone
Dass sich in Zeiten der pandemiebedingten Häuslichkeit vor allem Küchen-Gadgets verkaufen wie geschnitten Brot, verwundert nicht. Andererseits muss es ja erst einmal geschnitten werden, das Brot. Und das ist, vor allem wenn der noch ofenheiße Laib in schöne, gleichmäßige Scheiben zerteilt werden soll, kein Kinderspiel. Außer, man nennt eine wirklich gute Aufschnittmaschine sein Eigen. Oder ein richtig großes Brotmesser. Denn beide können noch viel mehr als nur Backwerk zerteilen, wie unser Test zeigt.
Klapprige elektrische »Allesschneider« gibt es schon ab 30 Euro, aber die können in der Regel alles außer vernünftig schneiden. Da leistet meist sogar noch die auf Omas Dachboden gefundene alte Brotschneidemaschine mit der Handkurbel bessere Dienste, sofern man sie mit einer Schraubzwinge halbwegs sicher fixieren kann. Das Produktversprechen der elektrischen Rundmesserdreher, von Brot über Gemüse bis zu Wurst und Fleisch »alles« schneiden zu können, scheitert trotz meist recht scharfer Schneidescheiben an der wackeligen Ausführung der Schnittbreiteneinstellung. Merke: Wenn sich die Breite von zum Beispiel Speckscheiben nicht nur über das Einstellrad, sondern vor allem über den Druck regulieren lässt, mit dem man den Speck gegen die Maschine drückt, wird man mit diesem Küchengesellen auf Dauer nicht viel Spaß haben.
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Namhafte Traditionshersteller wie das 1905 von Franz Ritter gegründete bayerische »Ritterwerk« bauen dagegen brauchbare, solide Konstruktionen und legen ihren Geräten neben dem meist serienmäßig verbauten Zackenschliffmesser noch eine zweite Schneidescheibe mit Glattschliff bei – so wurde auch mein »fortis 1« ausgeliefert.
Diese Idee geht davon aus, dass mit dem Gerät am häufigsten Brot geschnitten wird. Auch Gemüse und festere Wurstsorten sind damit kein Problem. Die empfindlichen Fleischfasern von angefrorenem rohen Filet für Carpaccio und Brühe-Fondue oder dünne Scheiben vom innen rosa gebratenen Roastbeef dagegen werden von den Zacken in Fetzen gerissen. Hier ist ein Glattschliff unabdingbar. Wer jetzt wegen der »ständigen Messerwechselei« nörgelt – nach ein paar Jahren mit der angenehm leisen und kleinen »fortis« in der Küche und angesichts der immer geringeren Fleischfrequenz meiner Ernährung kann ich sagen: Sooo oft steht Fondue, Carpaccio oder Roastbeef nun auch wieder nicht auf dem Speiseplan.
Und den Rest erledigt der gute Ritter zuverlässig.
Was ist das? Ein solider Mittelklasse-Allesschneider, leicht zu reinigen, aber nicht so leicht aus der Fassung zu bringen.
Wer braucht das? Eine Maschine für alle Fälle.
Was kostet das? Ca. 120 Euro.
Viele Chefs verdienen sechsmal so viel wie ihre Angestellten. Ein handgeschmiedetes Damastmesser kostet sechsmal so viel wie ein vernünftiges Edelstahl-Kochmesser. Ein erfolgreicher Hip-Hop-Star hat sechsmal so viele Intimkontakte wie ein herkömmlicher Straßen-Rapper. Ist das gerecht? Steht das im Verhältnis? Ergibt das Sinn? Nun ja, als ich von der Firma Graef (neben dem Ritterwerk der zweite große Traditionshersteller für Schneidemaschinen) deren neues Flaggschiff SKS 700 zum Testen ausgepackt habe, war auch das meine erste Frage. Für den Preis dieses Acht-Kilo-Boliden, mit dem Graef seinen 100. Firmengeburtstag feiert, könnte ich mir fast schon sechs »fortis 1« kaufen. Andererseits: Was zum Himmel soll ich mit sechs Aufschnittmaschinen?
Der zwischen Hamburg und Palma de Mallorca pendelnde Food-Journalist Peter Wagner kocht länger, als er für Geld schreibt: Seit seinem 16. Lebensjahr ist das Schnibbeln, Simmern und Sautieren sein liebstes Hobby. Als furchtloser Esser mag der ehemalige Musikkritiker im Grunde alles, solange es mit Liebe und Verstand aus frischen Zutaten gekocht wird. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich auch hauptberuflich mit Kochen, Essen, Reisen und Genießen und hat längst den Gegenwert eines Mittelklassewagens in der Gastronomie verzecht. Peter Wagner veröffentlicht Ernährungs-Sachbücher und Kochbücher, schrieb die samstägliche Küchen-Kolumne "Hobbykoch" und ist Gründer und Herausgeber des Männerkochmagazins www.kochmonster.de . Aktuell ist sein erstes komplett selbstproduziertes Buch »Corona-Speck weg!« im Handel, für das es auf www.corona-speck.de einen kleinen Vorgeschmack gibt.
Die Antwort liegt, wie so oft bei diesen Fragen, im Detail. Und genau hier vereint die SKS 700 tatsächlich so ziemlich alles, was man sich auf einen Allesschneider-Wunschzettel schreiben könnte: ein bärenstarker Motor wie bei einer Metzger-Profimaschine, dabei aber flüsterleise. Einen unerschütterlichen Stand, null Millimeter Abweichung in der Schneidedicke unabhängig von der Andruckstärke. Eine rasiermesserscharfe Schneidescheibe mit Hohlschliff (samt beigelegtem Diamantschärfer), die trotz fehlender Messerzacken sogar innen ofenheißes und außen superkrosses selbst gebackenes Weißbrot klaglos in dünnere Scheiben zerteilt und auch bei komplett durchgefrorenem Rinderfilet-Carpaccio nicht schlappmacht. Die Scheibe ist so scharf, dass man sie lieber noch nicht mal ganz zart mit dem Handrücken berühren sollte, weswegen Graef eine rote Warnleuchte eingebaut hat, die erst erlischt, wenn der Schlitten komplett ans Messer gefahren wurde.
Für notorische Aufschneider wie mich macht die untersetzte Schnittstärkeneinstellung im Bereich von 0,1 bis 2 Millimeter mit einem erweiterten Drehweg des Reglers den meisten Spaß. Das komplette erste Drittel des Einstellweges liegt in diesem Feinbereich, erst bei dickeren Stärken wird die Regelung linear. Das ist nicht nur für hauchdünne Speckscheiben genial, auch Gemüse wie Gurken oder Karotten und sogar Champignons lassen sich damit exakter und glatter blättrig schneiden als mit jedem noch so scharfen Küchenhobel.
Ein mitgelieferter Spezialhalter für nicht zu dicke Gemüse unterstützt das Prozedere. Das freut vor allem den kleinen Möchtegern-Sternekoch, der mit ultraschmalen Julienne oder mikroskopisch kleinen Brunoise bei seinen Gästen Eindruck schinden möchte. Diesen Feinschnitt gibt es nur, wenn schon die Möhren-Längsscheiben absolut plan und nicht dicker als 0,5 Millimeter geschnitten werden.
Was ist das? Die teuerste, aber auch mit Abstand beste Schneidemaschine für den gehobenen Hausgebrauch.
Wer braucht das? Jeder ambitionierte Aufschneider mit ausreichender Bonität.
Wenn man mit einer Erfindung ins Museum kommen will, sollte sie schon epochal sein. So wie die »Hintersetzte Verzahnung«, die der Solinger Messerschmied und Firmen-Namensgeber Franz Güde in den Fünfzigerjahren zunächst für die kreisrunden Messerscheiben von Schneidemaschinen ersann und kurz darauf auch bei seinem bis heute legendären Brotmesser mit dem »Güde-Wellenschliff« einsetzte. Eine Schleiftechnik, die noch immer im Finish von Hand gemacht werden muss.
Die gewaltige Gebäck-Machete mit 32-Zentimeter-Klinge (Gesamtlänge 45 Zentimeter) ist denn auch zu Recht ein würdiges Exponat im Europäischen Brotmuseum in Ebergötzen bei Göttingen. Zu versuchen, damit verletzungsfrei kleine Partybrötchen aufzuschneiden, ist nicht anzuraten. Aber mit keinem anderen Messer lassen sich große Bauernbrotlaibe so leicht zerteilen. Das Güde (wahlweise als Rechts- oder Linkshänder-Modell oder beidseitig geschliffen) gleitet durch Brot wie eine warme Klinge durch ein Pfund Butter.
Oder durch einen riesigen Halloween-Kürbis, durch eine Ananas, einen fußballgroßen Kohlkopf, ein hart gefrorenes Parfait oder ein ofenheißes Filet Wellington – allesamt mit kleinerem oder weniger scharfem Gerät kaum zu bewerkstelligen. Wichtig gerade bei diesen Anwendungen: Nach Gebrauch sollte man das Güde sofort mit einem feuchten Tuch abwischen, denn trotz des rostfreien Chrom-Vanadium-Molybdän-Messerstahls darf das Teil nicht in die Spülmaschine. Weder der Holzgriff noch der filigrane superscharfe Wellenschliff würden dem Chemie-Angriff der Spüllauge standhalten.
Wenn man, was möglich wäre, damit nicht täglich Baumstämme absägt und in der Küche keine ungeeigneten Schneideunterlagen aus Glas, Stein oder Metall benutzt, wird das Güde frühestens nach zehn Jahren nachzuschleifen sein – die Firma vermittelt hierfür einen kundigen Schleiferdienst.
Um dieses mehr als 330 Gramm schwere Wellenschliffschwert ebenso kundig zu schwingen, braucht es allerdings einen beherzten Händedruck. Hobbykochschaffende mit schmächtigen Gelenken werden deshalb nichts von der großen Auswahl an wunderschönen Echthölzern wie Birne, Walnuss, Olive oder Platane für die ebenfalls in Handarbeit angepassten Griffe haben.
Besonders nachhaltig und zugleich der Idee, ein Messer für den Rest des Lebens plus das der Erbengeneration zu schaffen, ist das Griffmaterial Fasseiche angemessen. Es besteht aus dem recycelten Holz ausgedienter Weinfässer.
Und das ist doch allemal besser als bei Wasser und Brot zu darben.
Was ist das? Das Role Model aller Brotmesser.
Wer braucht das? Jeder Brot-Aufschneider, der weit über seine Generation hinaus denkt.
Was kostet das? 207 Euro für den einseitigen Schliff (wahlweise für Rechts- oder Linkshänder); 249 Euro für beidseitigen Schliff. Tipp: Die solide Leder-Scheide (24,70 Euro) dazubestellen – das Schwert passt in keinen Messerhalter.
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